Teil III

Die Franzosen kommen

Als gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Franzosen in das Rheinland einmarschierten, spekulierten die Militärs darauf, mit den Schützen ein „wohlgeübtes Subsidienkorps“ wenigstens zur Begleitung von Transporten und zur Bewachung von Magazinen und Flussübergängen einsetzen zu können und riefen zur Volksbewaffnung auf.

Aber selbst in den betroffenen Gebieten an Rhein und Mosel fand der Generalfeldmarschall Prinz von Coburg mit seinem Aufruf: „Stehet auf zu Tausenden und kämpfet mit uns, für euren Altar, für euren Herd, für euren Kaiser, für eure Freiheit!“ nur geringen Widerhall. In den 1797 an Frankreich gefallenen linksrheinischen Gebieten wurden nicht nur die Zünfte verboten, sondern auch die Schützengesellschaften. Durch Entwaffnung, Verbot von Schützen- und Kirchweihfesten usw. wurde ihnen das Leben schwer gemacht und damit vielfach auch die Grundlage entzogen.

Brünen blieb bis 1806 preußisch und kam dann zum neu gebildeten Großherzogtum Berg, welches 1808 dem französischen Kaiserreich unterstellt wurde. Dies änderte sich erst wieder nach den Befreiungskriegen und der europäischen Neuordnung auf dem Wiener Kongress 1815. Die einsetzenden Befreiungskriege gaben auch dem Schützenwesen wieder Aufschwung. Nach dem Aufruf Friedrich Wilhelm III. vom März 1813 „An mein Volk“ und der Errichtung der Landwehr und des Landsturms drängten vor allem viele junge Schützen zu den Waffen, um mit dem Heer gegen Napoleon zu marschieren.

Französisch besetztes Gebiet (rot)Der Landsturm wurde zusammen mit der Landwehr in Preußen durch königliche Verordnung vom 17. März 1813 begründet und die insgesamt 149 Bataillone sollten die regulären Truppen unterstützen.

Die Vorbeugung und der Schutz vor Übergriffen von Soldaten, Wachehalten und Ausspähen des Gegners waren die Aufgaben. Bei der Belagerung und Eroberung der Festung Wesel 1814 taten sich die 400 zwischen Rhein und Lippe ortskundigen Männer des Landsturms, der sich im Kern aus Schützen der Umgebung rekrutierte, in besonderer Weise hervor. Der spätere preußische König Friedrich Wilhelm IV. hielt bei der Durchreise in Brünen an, um sie dafür durch seine Anwesenheit zu ehren.

Nach dem Sieg der Verbündeten über Frankreich hielten es viele Landesfürsten allerdings wieder für angebracht, eine Volksentwaffnung durchzuführen, die teilweise auch die Schützen betraf.

Im Großherzogtum Berg aber versuchte die Regierung sich in den Schützen durch die Bildung einer Bürgergarde eine verlässliche Stütze zu sichern.

Die industrielle Revolution

Um die Wende zum 19. Jahrhundert brachte die einsetzende industrielle Revolution wieder eine neue Grundlage für die daniederliegenden Schützengesellschaften. In den Bruderschaften, in denen es seit jeher eine auf Gegenseitigkeit ausgelegte Hilfe gab, wurden die „Kranken- und Sterbeladen“ eingerichtet, die bei Krankheit und nachgewiesener Invalidität einsprangen und Sterbebegleitung leisteten.

In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts wurde diese Hilfe in zahlreichen Schützenbruderschaften gegen einen Beitrag in Statuten festgelegt und als fester Anspruch abgesichert. Keinen Anspruch auf Krankengeldleistung hatte nach den Statuten, wer „vorsätzlich durch liederliches und unordentliches Leben, als zum Beispiel Saufen, Schwärmen oder Schlagen krank oder verwundet worden ist“.

Über ein halbes Jahrhundert lang sorgten diese Einrichtungen für soziale Sicherheit und brachten den Schützenbruderschaften wieder starken Zulauf. Teilweise verzehnfachten sich innerhalb weniger Jahre die Mitgliederzahlen, bis dann schließlich in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts überall die Ortskrankenkassen eingerichtet wurden und diese Fürsorge im Krankheits- und Todesfall übernahmen.

Wie ging es in Brünen weiter?

Verwaltungsmäßig kam die Zivilgemeinde Brünen schon zur Franzosenzeit 1813 in die Mairie Schermbeck zum Kanton Ringenberg im Arrondissement Rees, Departement Lippe. In der sich anschließenden Preußenzeit hieß es Amt Schermbeck im Kreis Dinslaken, ab 1823 im Kreis Rees.

Statuten des Reeser Landrates

Aus dieser Zeit gibt es einige Dokumente zum Schützenleben in dieser Region. Da ist z.B. ein Erlass des Landrats des Kreises Wesel Dr. Bermuth vom 1. Januar 1822 mit der Überschrift „Réglement die, bey dem Vogel und Scheibenschießen im hiesigen Komité zu beobachtenden Vorschriften enthaltend“

Darin wird in 19 Paragraphen das Vogelschiessen geregelt und die Strafen bei Zuwiderhandlungen in Silbergroschen festgesetzt. Die Paragraphen lauten im Einzelnen:

§ 1

Der Bürgermeister bestimmt den Ort zum Vogel und Scheibenschießen. Die Stellung des Ziels, und Schießstand, die Aufstellung der geladenen und ungeladenen Gewehre, den Ort zum Laden, u.d.gl., ließe sich auch die Liste derjenigen welche an dem Vogel oder Scheibenschießen Antheil nehmen wollen jedes mahl zuvor zur Revision vorlegen, weil keine zu junge oder zu unerfahrene Leute dazu zugelassen werden.

§ 2

Derselbe, oder ein Beygeordneter oder Gemeinde Rath führen beym Vogel und Scheibenschießen eines oder mehrerer Polizeidiener die Oberaufsicht und übt der Verordnung der Königlichen Regierung vom 1. August d.J. – Amtsblatt Nr. 209 – eine Strafkraft aus.

§ 3

Die spezielle Aufsicht bey der Belustigung und die Leitung beym Schießen u.s.w. wird von einem durch den Bürgermeister jedes mahl aus der Gesellschaft der Schießenden zu erwählenden Director oder Schützenmeister geführt.

§ 4

Während des Aufziehens zum Schießen darf niemand mit einem geladenen Gewehr versehen seyn, bey Strafe von 5 Sgr. für die Gesellschafts Cashé.

§ 5

Die Gewehre deren die Gesellschaft sich zum Schießen bedienen will, müssen vorab ausdrücklich ihrer Tauglichkeit von dem Schützenmeister untersucht werden, der für allen aus dem Gebrauch schadhaften oder sonst untauglichen Gewehren hervorgehenden Schaden verantwortlich bleibt.

§ 6

Das Laden der Gewehre geschieht an dem dazu bestimmten Orten unter Aufsicht des Schützenmeisters, einen hinzogenen Fehler, zahlt 5 Sgr. zur Gesellschafts Cashé.

§ 7

Über die Reihenfolge beym Schießen wird durchs Los entschieden.

§ 8

Vor dem Herantreten an den Schießstand darf kein Pulver in die Batterie geschüttet werden, sondern die Pfanne bleibt so lange mit Werg oder mit dem Putzlappen bedecket bei 5 Sgr. für die Gesellschatfs Cashé.

§ 9

Zielen mehrere zugleich an den Schießstand, so verfällt der Voreilende in eine Strafe von 5 Sgr. für die Gesellschafts Cashé.

Anweisung zum Laden einer Büchse § 10

Sooft geschoßen werden soll, giebt der Schützenmeister vorher dem Scheibenzeiger ein Zeichen, wer, ohne dieses Zeichen abzuwarten schießt, zahlt 5 Sgr. zur Gesellschafts Cashé.

§ 11

Versagt das Gewehr eines Schützen zu dreyen Mahlen hintereinander, so daß derselbe den folgenden Männern Platz machen, das Gewehr in die Höhe zurück – eine überhaupt nothwendige Vorsichtsmaaßregel – zurückstellen und von dem Schützenmeister seine weitere Bestimmung zu erwartigen.

§ 12

Alles Probeschießen von Anfängern des Schießens sowie auf dem Schießplatz überhaupt sind bei 5 Sgr. Strafe für die Gesellschafts Cashé verboten.

§ 13

Wer sein Gewehr durch Unvorsichtigkeit auf dem Schießplatz abfeuert, zahlt 5 Sgr. Strafe zur Gesellschafts Cashé

.

§ 14

Kein Zuschauer ist unter den Schützen auf dem Schießplatz zu dulden, sondern es findet derselbe auf 50 Schritte hinter dem Schießstande seine Stelle, einer hiergegen handelnd, zahlt 5 Sgr. Strafe zur Gesellschafts Cashé

§ 15

Wer aus einer brennenden Tabakpfeife ohne Deckel auf dem Schießplatze raucht oder mit einer brennenden Tabakpfeife an den Schießstand zum Schießen oder sonstigem tritt, zahlt 5 Sgr. zur Gesellschafts Cashé.

§ 16

Wer sich auf dem Schießplatze so lange das Schießen dauert, berauscht, wird nicht nur sofort aus der Gesellschaft entfernt, sondern zahlt auch obendrein 10 Sgr. zur Gesellschafts Cashé, ein gleiches gilt überhaupt einem denjenigen, der Handel und Zänkereyen ausficht.

§ 17

Beim Abziehen vom Schießplatz gilt das nämliche als unter 4. bestimmt worden. Außerdem muß jeder Schütze vor Eintreffen in das zur Erlustigung nach Beendigung des Festes ausersehene Wirtschafts-Haus oder sonstige Local sein Gewehr dem Schützenmeister oder einem Polizeidiener in einstweiligen Gewahrsam – von bis dahin wo die ganze Festlichkeit zu Ende – übergeben, bey Strafe von 5 Sgr. für die Gesellschafts Cashé im Weigerungsfalle.

§ 18

Die Verwendung der zur Gesellschafts Cashé fließenden Strafen bleibt der gemeinsamen Bestimmung der Mitglieder der Gesellschaft überlaßen.

§ 19

Sollten die obiegen Belustigungen in eine Zankerei ausarten, namentlich zu Saufgelagen, Zänkereyen, so wird auf deren zwingliches Eingehen oder auf Stündung für gewiße Zeitdauer bedacht genommen werden“

Rees, 1. Januar 1822

der Land Rath Dr. Bermuth

Wenn man den Erzählungen unserer Großväter glauben darf, muss bezweifelt werden, dass der Erlass dieses Reglements die „Saufgelagen und Zänkereyen“ wirklich verhindert hat.

Mit dem Datum 16. Juni 1823 findet sich im Archiv des Amtes Schermbeck die „Acta nachgesuchte Erlaubnis zum Scheibenschießen betreffend“ mit der „Die Männer in Brünen ersuchen auf Johannis Tag den 24.d.M. nach der Scheibe zu schießen, wie dieses alljährlich der Gebrauch ist“. Dieses Ersuchen wurde über den Ortsvorsteher Brans eingereicht, der es mit folgendem Anschreiben an den damaligen Bürgermeister weitergab:

„Herrn Bürgermeister Maahsen, Wohlgeboren zu Schermbeck.

Da am künftigen Dienstag den 24. des als Johannis Tag das gewöhnliche Scheibenschießen von den Männern eintrifft, so habe ich Euer Wohlgeboren hierdurch ganz gehorsamst bitten sollen, die Erlaubnis zu der Landrichterlicher Gründe gefälligst nachzusuchen.

Brünen den 15. Juni 1823 Der Vorsteher gez. Brans“

Die entsprechende Genehmigung des Bürgermeisters ist ebenfalls im Archiv vorhanden.

Bei diesem Schützenfest ist Johann Freyhaus König geworden. Seine Königsplakette ( Bild ) ist die älteste, die sich noch im Besitz des Vereins befindet.

Vorderseite

Vorderseite

Rückseite

Rückseite

Auf der Rückseite steht der Spruch: „Was die Vorsehung mir bestimmt, das nahm ich willig auf, und diene gern mit meiner Kraft unser Brünen ganz gewissenhaft mein ganzer Lebens Lauf.“

Die ältesten Statuten der Brüner Schützen

Aus dem Jahr 1847 ist dem Verein ein Originaldokument erhalten geblieben, nämlich die „Statuten für den Schützenverein der verheirateten Männer in der Gemeinde Brünen am 23. August 1847 entworfen“ Weil dieses Dokument die Traditionen unseres Vereins beschreiben, sollen sie hier vollständig aufgeführt und anschließend interpretiert werden.

Statuten

zu dem alljährlichen Königsschießen der verheirateten Männer der Gemeinde Brünen.

§1

Wer den Königsschuß thut, d.h. wer den besten Schuß in das Centrum oder dem Centrum zunächst in die Scheibe bringt, ist König der verheirateten Männer in der Gemeinde Brünen bis zum nächsten Königschießen. Derselbe genießt damit folgende Vortheile:

a) Erhält er gleich nach beendigtem Schießen und sobald der beste Schuß ermittelt ist, einen neuen Huth. Seine Frau als zeitliche Königin einen goldenen Ring. Der Huth soll den Werth von mindestens zwey Thaler und der Ring von mindestens drey Thaler haben. Ist die Frau des Königs anwesend zu sein verhindert, ist vielleicht der König Witwer, oder noch Junggeselle ( denn auch Witwen können durch ihrenältesten Sohn beym Königschießen teil nehmen ) so erhält der König den Ring, und bestimmt, wer ihn bekommen soll.

Statuten von 1847b) Werend des ganzen Jahres nach dem Königschießen, vom 1. Jenner bis zum 31. Dezember ist der König von allen sogenannten Gemeinde Lasten, von Hand- Spann und Wachdiensten, desgleichen von Einquartierung befreit. Die Comunal Steuer, oder sonstige Ausschläge in Gelde, Fourage oder andere Natural Lieferungen gehören nicht zu den Gemeinde Lasten wovon der König befreit ist, er hat vielmehr solche wie jeder andere Eingesessene in der Gemeinde zu tragen. Bey Kriegszeiten, überhaupt bey ungewöhnlichen Verhältnissen, wo die Ortsbehörde die befreyung des Schützen-Königs von sogenannten Gemeinde Lasten nicht mehr zu bestimmen hat, fällt diese beguenstigung desselben weg und er kann dafür auf keine Entschädigung Ansprüche machen.

c) Der König hat von nun an durchaus keine Kosten, sondern nur Vortheile, und nicht der geringste beytrag zu den Kosten, welche das Königschießen verursacht, kann von ihm gefordert werden, denn jede Bewirtung der

Schützen die den König abholen, welche sonst üblich war, fällt nicht nur ganz weg, sondern wird bey fünfundzwanzig Thaler Strafe verboten.

§2

Der König wird nicht mehr an seiner Behausung abgeholt; wohnt er in Havelich oder der Oberbauernschaft, so wird er am Handweiser, wohnt er auf der Straße oder in dortiger Gegend, wird er bey Isingshoff, und wohnt er in der Unterbauernschaft, so wird er von der vollständigen Schützen-Compagnie bey Entrop, im Dorfe Brünen selbst aber, an seiner Behausung abgeholt, vom Adjudanten mit Silber umhangen und zum Wirtshause geführt.

§3

Der König muß pünktlich am Tage des neuen Königschießens, an einem dieser Punkte, je nach dem seine Wohnung gelegen ist, um 12 Uhr sich einfinden, die Schützen-Compagnie jedoch eine Stunde früher, also um 11 Uhr im Wirtshause versammelt seyn. Wer von den Schützen nicht um halb 12 Uhr anwesend ist, verliert für das laufende Jahr das Recht zu Mitschießen.

§4

Mit diesem Jahr 1847, wo diese neuen Statuten ins Leben treten, findet auch eine neue Wahl der Offiziere, und von nun an, alle zwey Jahre statt, doch können die alten wieder aufs neue gewählt werden. Die Compagnie bedarf fünf Offiziere, einen Capitain, einen Adjudanten, zwey Leutnants und einen Fähnrich.

Die Wahl findet sofort statt, wenn die Compagnie auf dem Schießplatze versammelt ist, durch Zettel, worauf die Namen der zu wählenden Offiziere geschrieben sind, und sind nur die wirklichen Schützen, die am Königschießen Antheil nehmen zur Wahl berechtigt.

Statuten von 1847Wen die Wahl trifft, ist verbunden die Charge anzunehmen, wozu er gewählt wurde, jedoch nur für die nächsten zwey Jahre, wird er aber nach Ablauf derselben zum zweyten male gewählt, ist er die Wahl ab- zulehnen berechtigt. Sollte sich dem ungeachtet jemand weigerlich halten, für die ersten zwey Jahre eine Offizier-Stelle anzunehmen, so kann er auch werend dieser zwey Jahre am Königschießen keinen Antheil nehmen.

Die Offiziere haben das Militärische bey der Führung der Compagnie, beym Abholen des Königs, dem Marsche nach und von dem Schießplatze zu leiten, die Ordnung werend des Schießens und des Aufenthaltes im Wirtshause aufrecht zu halten, mit einem Worte, sind die Vorgesetzten der Schützen-Kompagnie, daher auch jeder Schütze den Offizieren unbedingt Folge zu leisten hat, wer dieses verweigert, hat die Gesellschaft sofort zu verlassen.

Sollte jemand glauben, dass ihm von den Offizieren Unrecht geschehen sey, so kann er später auf eine Art Standrecht antragen, welches über den vorgekommenen Fall entscheidet. Dieses Standrecht soll von zwölf, von der Compagnie zu wählenden Personen, wozu aber kein Offizier gehören darf, gehalten werden, dessen Entscheidung sich beyde Partheyen unbedingt unterwerfen müssen. Die für solches Standrecht gewählten Personen bleiben ebenfalls zwey Jahre in Function.

§5

Zum Königsschießen berechtigt sind alle Hof= und Hausbesitzer desgleichen deren Pächter, kurz jeder in der Gemeinde Brünen, der die Lasten der Gemeinde mit zu tragen hat, und mit einer Nummer in der Dienstliste verzeichnet steht.

§6

Die Reihenfolge beym Schießen bestimmt die Hausnummer, und werden die Schützen beym Namen vom Adjudanten abgerufen. Wer abwesend, oder nicht zum Schießen bereit ist, wenn sein Name verlesen wird, verliert in dieser Reihenfolge seinen Schuß. Nur gewöhnliche glatte Flinten ohne Züge, selbst ohne einen ovalen Zug, ohne Visir und Diopter, sind beym Königsschießen anwendbar.

Sollte der Fall vorkommen, ungeachtet daß das Centrum, so oft es getroffen ist, mit einem neuen blättchen belegt wird, dass zwey Schüße sich so gleich waren, daß der beste oder Königsschuß mit Anwendung eines Zirkels nicht ermittelt werden könnte, so müßten dieses beyden Schützen noch einmal neu den besten Schuß schießen, welcher dann der Königsschuß wird.

§7

Die bisher üblich gewesene Platte an Silber, wird auch jetzt noch dem Silber hinzugefügt, und der König den darauf zu schreibenden Spruch anzugeben. Die Offiziere laßen diese silberne Platte, sowie auch die Scheibe anfertigen, kaufen den Königshuth, sorgen für die gehörige Einrichtung des Schießplatzes und alles, was zum Königsschießen erforderlich ist, und bestreiten die erforderlichen Kosten aus der Schützenkaße. Mit allen diesem hat der König von nun an nichts mehr zu thun, und durchaus keine Kosten hiervon. Endlich.

§8

Wird die größte Vorsicht mit dem Gewehre, sämtlichen Schützen zur Pflicht gemacht, daher vom Augenblicke des Abmarsches aus dem Wirtshause, bis daß solches nach dem Königsschießen wieder betreten wird, von keinem der Schützen irgend ein geistiges Getränk genoßen werden darf. Nach beendigung des Königsschießens, müßen alle etwa noch geladenen Gewehre auf dem Schießplatze abgeschoßen werden bevor der Rückmarsch nach dem Wirtshause angetreten wird. Sollte dem ungeachtet noch jemand im Dorfe oder in der Nähe eines Hauses zu schießen sich erlauben, so fällt derselbe nach § 10 der allgemeinen Steuer Ordnung in eine Strafe von drey Thaler.

Zum Laden der Gewehre, wird auf dem Schießplatze ein besonderer Raum angewiesen, woraus keiner sich eher mit dem geladenen Gewehr entfernen darf, bis er zum Schießen vom Adjudanten abgerufen wird. Es ist die höchste Pflicht der Offiziere über die genaue befolgung des §8 zu wachen, damit kein Unglücksfall vorkömmt, und jeder Schütze, der dieser so nöthigen Anordnung zu wider handelt, verfällt sofort in eine Strafe von Zehn Silbergroschen zum besten der Schützen Kaße.

Brünen den 23 August 1847 Die Gemeinde Verordneten

Der Gemeinde Vorsteher Brans Buschmann

B. von de Wall Hecheltjen Bülzebruck

Siegel: Tellmann Dickmann

Kö.Pr. Bürgermeisteramt Reuken Hopermann

Schermbeck

Die bisherigen Schützenoffiziere

W. Buchmann J.H. Beling

W Schrörs Röttg=Buchmann

Bartholomäus von de Wall Der hier als ‚Der Gemeinde Vorsteher’ unterzeichnende Bartholomäus von de Wall war von 1814 – 1878 Gemeindevorsteher und hat in dieser Zeit sehr viel für die Entwicklung Brünens in allen Bereichen getan.

Nach mehrjährigem Dienst als preußischer Offizier, und Teilnehmer des Freiheitskrieges gegen Napoleon, auch 1813 in der Völkerschlacht bei Leipzig, kehrte er zurück und war verantwortlich für den Landsturm Wesel. Dieser war für die überörtlichen Sicherungsmaßnahmen der Bürger gegen die aus Rußland zurückziehenden französischen Truppen zuständig.

Aber zurück zu den Statuten vom 23.8.1847.

Zwei Passagen dieser Statuten sind erwähnenswert, im §4 heißt es: „Die Compagnie bedarf fünf Offiziere, einen Capitain, einen Adjudanten, zwey Leutnants und einen Fähnrich“. Auch heute noch ist der Vorstand unseres Vereins in dieser Weise mit zehn Offizieren besetzt. Und im §5 heißt es: „Zum Königsschießen berechtigt sind alle Hof= und Hausbesitzer desgleichen deren Pächter, kurz jeder in der Gemeinde Brünen, der die Lasten der Gemeinde mit zu tragen hat…“ , dies schränkte die Anzahl der möglichen Mitglieder drastisch ein.

Jede Änderung dieser Satzung wurde im Verlauf der darauf folgenden Jahre protokolliert und musste von dem Gemeinderat genehmigt werden. Diese Protokolle liegen uns noch im Original vor.

Der §6 der Statuten bekam im Jahre 1861 eine neue Fassung und die Niederschrift gibt Aufschluss über die Gestellung der Gewehre. Danach brachte bis 1861 jeder Schütze seine eigene Büchse mit. Vor diesem Hintergrund versteht man auch die strengen Strafmaßnahmen für denjenigen, der „im Dorfe oder in der Nähe eines Hauses zu schießen sich erlaubt“. Dabei bestand vor und während des Schießens ein vollständiges Alkoholverbot! Ob es trotzdem nach dem Königsschuss noch „knallfreudige“ Schützen gegeben hat, ist nicht auszuschließen.

Aus den Jahren 1848, 1849 und 1856 ist weiteres ‚Silber’, also Königsplaketten erhalten geblieben.

Königsplakette 1848 Königsplakette 1849 Königsplakette 1856

Königsplakette 1848 Königsplakette 1849 Königsplakette 1856

Man kam am Johannistage zusammen, schoss sehr ernsthaft, feierte diesen einen Tag und ging wieder auseinander. Es gab keine Generalversammlung, kein Winterfest und keine Weinprobe. Man lebte noch nach Altväter Art, freute sich auf das Schützenfest und auf die Kirmes, alles andere wurde durch die tägliche Arbeit bestimmt.

In der nächsten Änderung der Statuten vom 20. Juni 1863, also kurz vor dem Schützenfest am 24. Juni, heißt es auf Antrag der Offiziere: „Der Gemeinde Rath, als beständiges Directorium der Schützengesellschaft ….. beschloß heute im Einverständniß mit den augenblicklichen Offizieren der Schützen-Compagnie … daß der König statt wie früher einen Huth jetzt, und zwar mit dem diesjährigen Königsschießen beginnend, eine Pfeife von mindestens zwey Thaler an Werth erhalte.“

Wenn die weiteren Niederschriften nichts Wesentliches mehr aussagen, so glaubt man bei einer noch zu spüren, dass sich die Gemüter erhitzt haben müssen. Am 23. Mai 1872 trat der Gemeinderat zusammen, um über einen Antrag der Offiziere Johann Holsteg, Johann Bauhaus und Heinrich Schroers zu beraten. Diese wünschten: „daß in Zukunft Witwen sich allein nicht durch ihren ältesten Sohn beym Königsschießen dürften vertreten laßen, sondern wenn hierzu ein Qualifizierter nicht vorhanden sey, auch ein Knecht solcher Witwe hierzu von ihr ermächtigt werde dürfte.“

Das war wohl eine zu fortschrittliche Meinung, denn der Gemeinderat als ‚stetes Directorium’ des Vereins fasst den folgenden Beschluss:

Witwen .… können sich auch durch irgend eine andere Person ….vertreten laßen, doch muß dieselbe alle Eigenschaften besitzen, die in der §5 zur Berechtigung am Königsschießen fordert, daher hiezu nie ein Knecht von einer Witwe beauftragt werden kann…

Eine klare aber harte Entscheidung, denn die Knechte zu damaliger Zeit waren nicht nur Jahrzehnte auf einem Hof, sie verbrachten häufig ihr ganzes Leben auf ein und demselben Betrieb. Sie gehörten zu ihm wie der Bauer und fühlten sich genau so verantwortlich. Der Grund warum man keinen Knecht zuließ, kommt aus dem damaligen historischen Denken.

Straßenbild in BrünenNur wer Grundbesitz hatte, so unterstellte man, hatte was zu verteidigen, nur der würde das Notwendige tun, seinen Besitz und das Gemeinwesen zu schützen, notfalls mit der Waffe. Das bedeutete auch, dass der Kreis der möglichen Mitglieder des Schützenvereins der verheirateten Männer in Brünen damit sehr eng begrenzt war. Der durch die Weiterentwicklung der Militärtechnik bedingte Niedergang der Schützengesellschaften als Bürgerwehren, wurde im 19. Jahrhundert durch teils neue Organisationsformen der Vereine abgefangen.

Im Laufe des 19. Jahrhunderts und drei Kriegen Preußens und seiner Verbündeten gegen Dänemark (1864), Österreich ( 1866 ) und Frankreich ( 1870 / 1871 ) entstand ein monarchistischer Bundesstaat unter preußischer Führung.

Während im kirchlichen Bereich die Aktivitäten der Schützenbruderschaften eingeschränkt wurden, entfaltete sich das Schützenwesen in den folgenden Jahrzehnten in der breiten Öffentlichkeit. Überall in

den deutschen Ländern schlossen sich Schützengesellschaften und Bruderschaften zu Schützenbünden zusammen. Weiteren Auftrieb brachte auch für das Schützenwesen der nach dem Krieg von 1870/71 einsetzende wirtschaftliche Aufschwung und die allgemeine Fest- und Feierfreudigkeit der Menschen bis über die Jahrhundertwende hinaus.

Dann wurden auch die Kriegervereine gegründet, die zeitweilig eine größere gesellschaftliche Bedeutung hatten, als die Schützenvereine. In Brünen war es der „Preußische Kriegerverein zu Brünen“, der zeitweise mehr als 200 Mitglieder hatte und bis zum Ende des 2. Weltkriegs existierte. Noch lange nach 1900 gehörten zum Schützenverein dagegen nur etwa 20 – 30 Mitglieder.

Mit Datum vom 31. Mai 1876 wurden die Statuten des Männerschützenvereins Brünen ein weiteres Mal angepasst. Sie entsprachen aber in großen Teilen den Statuten von 1847 mit den zuvor beschriebenen Änderungen einzelner Abschnitte. Aber nicht immer fanden die alten Traditionen in dieser Zeit die uneingeschränkte Billigung der preußischen Verwaltung. So gab es einen regen Schriftwechsel um die Erlaubnis, dass jeder Schütze mit seiner eigenen Büchse auf dem Schützenfest um die Königswürde schießen durfte. Der „Oberpräsident Düsseldorf“ bestritt das unter Berufung auf eine Verordnung vom 25. Februar 1865 einer „höheren Instanz“ (Berlin?), die diese Interpretation zuließ.

In der Antwort darauf vertritt der Ortsvorsteher von de Wall vehement die Position der Männerschützen mit dem Hinweis: „…dass diese Tradition des Schützenvereins der verheirateten Männer zu Brünen schon seit undenklichen Zeiten bestehen …“, und dass er selbst diese Tradition als Mitglied mit trägt.

In diesem Jahr wurde auch um die Erlaubnis gebeten, eine neueKönigsplakette von 1880Fahne anschaffen zu dürfen. Man musste die Ausführung genau beschreiben und dies durch den Ortsvorsteher bestätigen lassen. Aufgrund dieser Beschreibung konnten wir das Aussehen dieser Fahne rekonstruieren. Aus dieser Zeit ist eine Königsplakette erhalten geblieben, die besonderer Erwähnung bedarf. Sie ist gestiftet von Johann Tepferd, der 1880 König mit seiner Frau Dina war. Sie waren katholisch, was zur damaligen Zeit für den Brüner Verein eine Besonderheit war. In dieser Zeit gab es nur noch eine geringe Unterstützung der Schützenvereine. In einem Beschluss des Gemeinderates aus 1883 wurde für den Schützen- könig ein Zuschuss von 20 Mark beschlossen. Die Kriegervereine erhielten offensichtlich mehr finanzielle Unterstützung, denn in einem Antrag der Männerschützen von 1893 wurde das massiv beklagt und eine Erhöhung auf 30 bis 40 Mark gefordert.

Auch im Brauchtum hatte sich Manches geändert, bis 1925 marschieren nicht nur die Schützen durch das Dorf, auch das Königspaar und der Hofstaat gingen zu Fuß. Vor der Musik trug der Scheibenträger stolz die Königsscheibe. Zwei der bekanntesten, die viele Jahre dieses Amt bekleideten, waren H. Fenneken und H. Bohmkamp.

1910 wurde bei der Bonner Fahnenfabrik eine neue Fahne beschafft. Die Offerte und der Bestellschein liegen im Original noch vor. Sie war bestickt mit dem damals üblichen Spruch vieler Schützenvereine „Üb Aug und Hand fürs Vaterland“. Auch diese Fahne konnten wir aufgrund der Angaben auf dem Bestellschein nachbilden. Der Schießplatz lag unmittelbar am Dorfausgang Richtung Hamminkeln auf der rechten Seite, wo später die Tierkörperverwertungsanstalt stand.

Wenn auch alle Vorrechte der alten Statuten für den König inzwischen nicht mehr galten, war das Schießen eine ernsthafte Angelegenheit, und wer König wurde, war sehr stolz darauf, Inhaber der höchsten Würde zu sein. So gelang es Oskar Brans in den Jahren 1913 und 1914 jedes mal ins Schwarze zu treffen, und der schon erwähnte Scheibenträger Bohmkamp trug sogar dreimal das „Silber“. Der Marsch durch das Dorf war für die Könige schon eine körperliche Leistung, die schwere Schützenkette mit allen Plaketten die man besaß auf den Schultern und die Königin, die eigene Frau am Arm. Das ‚Silber’, die Schützenkette, wurde allmählich so schwer, dass man sie Anfang des 20. Jahrhunderts teilte.

Eh Alder wenn du hier druckst nein dann nix gut, drucken ja dann alles krass