Teil IV

Die Weltkriege und ihre Folgen

Der erste Weltkrieg kam und forderte millionenfacheDer Weltkrieg 1914 - 1918 Opfer, auch viele aus unserer Region. Nach dem Krieg begann sich das Schützenwesen erst allmählich wieder zu festigen. Die jungen Schützenbrüder, die vier Jahre schrecklicher Erlebnisse hinter sich hatten, konnten sichnur schwer wieder in das zivile Leben einordnen. Überall im Land herrschte Unruhe und Unsicherheit. Im Sommer 1920 fanden trotzdem wieder die ersten Schützenfeste statt, aber ihnen fehlte die Unbeschwert- heit und vor allem der Glanz früherer Zeiten.

Im besetzten Rheinland kamen noch die Schwierigkeiten hinzu, die von den Besatzungsbehörden öffentlichen Festen mit großem Zustrom ganz allgemein und den Schützenfesten im Besonderen gemacht wurden.

Hinzu kam, dass mit der galoppierenden Inflation die meisten Menschen sich kaum noch etwas über die Befriedigung der lebensnotwendigen Bedürfnisse hinaus leisten konnten.

Erst um die Mitte der 20er Jahre begann sich das Leben wieder zu normalisieren, auch die Schützengesellschaften fanden wieder starken Zulauf und konnten im Zuge der „Goldenen 20er Jahre“ glanzvolle Feste feiern, bis dann im auslaufenden Jahrzehnt die Wirtschaftskrise überall im Land das öffentliche und gesellschaftliche Leben zu erdrücken drohte.

Die goldenen 20er Jahre Die goldenen 20er Jahre

Die goldenen 20er Jahre

Das Ende der Besatzungszeit brachte vor allem in den linksrheinischen Gebieten wieder einen ersten Aufschwung im Schützenwesen. Nach Abzug der Besatzung wurden die Schützenformationen wieder neu belebt. Die versteckten oder vergrabenen Büchsen wurden wieder hervorgeholt, die Schießstände wiederhergestellt und alle Volksfeste wieder eingeführt.

Schützenvereine in neuer Form

Auch in Brünen gab es wieder Schützenfeste, allerdings mit einigen Abweichungen gegenüber früher. Die neuen Statuten der Schützen von 1920 waren eine moderne Satzung, die der neuen Zeit in Form und Sprache Rechnung trug.

Im Paragraphen 1 hieß es:

„ Unter dem Namen Schützenverein „St. Johann“ Brünen haben die Mitglieder der ehemaligen Schützengesellschaft, gegründet 1608, im Jahre 1920 beschlossen einen Verein zu bilden, welche es sich zur Aufgabe machen, Einigkeit, Geselligkeit und Frohsinn in geeigneter Weise zu beleben, in ihren alljährlich zu begehenden Festen das Bürgerband immer inniger zu knüpfen und die Anhänglichkeit an die Heimat, so wie die Liebe zum Vaterland zu pflegen und zu festigen.“

Erstmals wurde im Paragraphen 1 der Zweck des Vereins beschrieben, was man in allen vorherigen Statuten nicht findet. Er beginnt aber auch mit einer Formulierung, die auffällt, wenn man alle vorherigen

Dokumente, die erhalten geblieben sind, aufmerksam gelesen hat „Unter dem Namen Schützenverein „St. Johann“ Brünen haben die Mitglieder der ehemaligen Schützengesellschaft….“

Dies bedeutet, dass erst mit diesen Statuten 1920 der Name „St. Johann“ für den Schützenverein eingeführt wurde. Man besann sich auf die alte Tradition, dass „seit undenklichen Zeiten auf Johannis das Schützenfest gehalten wurde“, wie es auch in einem Dokument von 1876 der Ortsvorsteher von de Wall geschrieben hatte.

Statuten von 1920Dies war auch der endgültige Wendepunkt, an dem aus der Schützengesellschaft, die bis zum Ende des 19. Jahrhunderts Schutz- und Ordnungsfunktionen hatte, ein Schützenverein wurde, der unter dem Motto ‚Einigkeit, Geselligkeit und Frohsinn’ eine andere Rolle in der Dorfgemeinschaft übernahm.

Mitglied konnten danach alle verheirateten Männer werden, die 30 Jahre alt waren, nicht nur Hofbesitzer, Pächter oder gewerbliche Unternehmer wie früher. Wahlen fanden in der Generalversammlung statt, nicht mehr auf dem Schießplatz beim Königsschießen und kein Schütze durfte mehr mit der eigenen Büchse schießen.

War der Festtag bis dahin der 24. Juni, der Johannistag, so wurde er nun auf den darauf folgenden oder vorhergehenden Samstag gelegt. Präsident und Bataillonsführer waren beritten, das Königspaar und die Königsknechte mit ihren Damen wurden in der Kutsche gefahren.

Zum ersten Mal wurden die Straßen mit Maien geschmückt. Eine schwierige Aufgabe für die Schützen, die die Zweige am Vorabend zu setzen hatten, denn an vielen Häusern wurden sie mit einem Korn begrüßt. So wie die letzten Maien am Straßenrand, standen auch die Schützen nach dieser Arbeit nicht mehr ganz gerade.

Weitere Änderungen in den Statuten wurden vorgenommen. Den Ring, den die Königin seit Urzeiten bekam, wurde um 1920 zum letzten Mal vergeben. Auch was die alten Satzungen festgelegt hatten, dass nur die eigene Frau Königin werden konnte, verlor seine Gültigkeit. Von nun an konnte der König seine Königin außerhalb des Hauses suchen.

Zu erwähnen ist auch, dass es zwischen 1930 und 1936 in Marienthal eine Augustinus-Schützengilde gab, deren Königskette von Clemens August von Galen gestiftet wurde, der Bischof von Münster war. Die Gründe ihrer Auflösung sind in den politischen Verhältnissen der damaligen Zeit zu suchen.

Dann kam der 2. Weltkrieg mit all seinen Schrecken und Leiden. Als er im Mai 1945 zu Ende ging, lag ganz Deutschland in Trümmern. Annähernd 5 Millionen Männer waren gefallen, Hunderttausende Zivilpersonen, insbesondere Frauen und Kinder, waren im Bombenhagel umgekommen und drei Millionen Soldaten befanden sich in alliierter Kriegsgefangenschaft.

Wesel 1945 Brünen 1945

Fast 12 Millionen Menschen waren durch Flucht und Vertreibung heimatlos geworden, zogen entwurzelt durch das Land und suchten eine neue Heimat und Bleibe. Da war an Schützentraditionen nicht zu denken. Zum Ende des Jahre 1945 wurden durch den alliierten Kontrollrat alle sportlichen Vereine aufgelöst und jede Neugründung musste genehmigt werden. Den Sinn der Schützenvereine einem Ausländer verständlich zu machen, war in dieser Zeit nicht einfach, manchmal sogar unmöglich.

Ein neuer Anfang

In Brünen, wie auch in den anderen Gemeinden unserer Region, plante man zwar den Wiederaufbau der Schützenvereine, aber man fand bei dem zuständigen Kommandanten der englischen Besatzungsmacht zunächst kein Verständnis für ein solches Vorhaben. Man entwarf neue Satzungen mit Formulierungen, die möglichst keinen Anstoß bei der Militärregierung nehmen sollten. Im Entwurf des Brüner St. Johann vermied man daher das Wort ‚Schützenverein’ und nannte sich Schützengilde, in einer handschriftlichen Fassung war sogar von Bruderschaft die Rede. Ebenso schrieb man ‚Jahresfest’ nicht Schützenfest. Bei den Vorstandsposten vermied man militärische Dienstgrade und benannte Rechnungsführer, Kassierer, Ordner und Kurier. Erst nach vielen Verhandlungen des damaligen Ortsbürgermeisters Alfred Kevelmann wurde 1949 für Brünen eine Genehmigung erteilt.

Es durfte mit einer Armbrust geschossen werden. Da man eine solche Waffe nicht besaß, fertigte Schreinermeister Wilhelm Stemmingholt eine an. Sie war schwer und schwierig zu handhaben. Auch auf eine normale Scheibe zu schießen war nicht möglich, man musste ihr die Größe einer Tür geben.

Aber trotz aller Widrigkeiten hatte man erreicht, dass man wieder für ein Schützenfest zusammenkommen konnte. Auch die damit verbundene Freude hielt sich noch in Grenzen, hatten doch zwei Kriege große Lücken in die Reihen der Schützen gerissen. Deren Namen sind an den Denkmälern in Stein gemeißelt, an dem bis heute alljährlich anlässlich der Schützenfeste ihrer und anderer Opfer von Krieg, Terror und Gewalt gedacht wird. In den folgenden Jahren normalisierte sich aber das Schützenwesen in unserer Region und entwickelte sich langsam weiter, so wie es der Lebensstandard zuließ.

Unter dem Motto Ordnung, Einigkeit, Frohsinn und Geselligkeit nahmen die Schützenvereine eine andere Rolle in der Dorfgemeinschaft als Fundament für eine Gemeinschaft von gleich gesinnten Menschen ein.

Nachtrag

Diese Geschichte des Schützenwesens in unserer Region ist nicht nur die Geschichte des Schützenvereins St. Johann in Brünen. Die beschriebenen Entwicklungen in den letzten Jahrhunderten begründen die Traditionen aller Schützenvereine, wobei örtliche Besonderheiten und vor allem die Reformation Veränderungen in den Abläufen nach sich gezogen hat. Die größte Schwierigkeit ist die Suche nach Dokumenten, die das wahre Alter belegen. Ich würde es sehr begrüßen, wenn sich die Historiker in unserer Region zusammenfinden würden, um ihre Erkenntnisse zum Schützenwesen zusammenzulegen. Ich glaube, dass wir dann die Geschichte des Schützenwesens am Niederrhein mit sehr vielen neuen Erkenntnissen weiter vervollständigen könnten.

Brünen, im Mai 2008

Rolf Brögeler

Quellen:

Eh Alder wenn du hier druckst nein dann nix gut, drucken ja dann alles krass